Von U. Grether
Plötzlich diese Stimme von weiter oben, von der Openair-Bühne her. Mirco Schifferle singt, der deutlich jüngste von den drei schrägen Typen der Band «Der Blinde Passagier». Angefangen hat das vor etwa einem Jahr, als Mirco die Tradition der etwas spezielleren Rockkonzerte seiner beiden älteren Schwestern wieder aufgriff, «Winterrock» hiess und heisst die Reihe.
Aber «Der Blinde Passagier», damals als lockerer Pausenfüller angelegt (der niemandem wehtun konnte und wollte), entwickelte eine Eigendynamik.
Das Trio mit Schifferle (Bildmitte), dem schlaksig-quirligen Multiinstrumentalisten Ivo Roesch (links) und dem Metal-gestählten Langmähnerich Steven Heeb (Letztere mindestens in ihren späten Zwanzigern) nahmen den Knirps (heute in der 3.Bez) in ihre Mitte. Mirco hatte damals schon den einen oder anderen Gesangspart, der auf mehr neugierig machen sollte, aber er versteckte sich noch hinter dem allgegenwärtigen Ivo, der hier in Bad Zurzach auch an der Fasnacht gehörig am Wirbeln ist.
Roesch und Heeb ermutigten den Jungen, traten zu zweit, zu dritt auch weiterhin auf.
Heute höre ich diese Stimme von der Openair-Bühne und ich spurte los. Ich komme zu spät. Das war eben das letzte Stück. Nur die standesgemässe Zugabe «Frösche weinen nicht» wartet noch.Und kurz darauf gibt Mirco Schifferle sogar schon Autogramme.
Wie zentral Mirco mittlerweile für die Auch-Plauschband ist, wird im intimeren Rahmen der überdachten Bar «Frankreich» (richtig, im Kontinent Europa) am anderen Ende des Festgeländes deutlich, eineinhalb Stunden später. Die «Bar» ist rappelvoll.
Die Vorgängerin auf der «Offenen Bühne» wird lauthals angefeuert und beklatscht: «I-va-na!» Die junge Dame schmettert ihren R&B gekonnt und a cappella. So ziemlich das Gegenteil dann das Trio: Nichts von erzwungener Anstrengung, die Lässigkeit der Musiker wirkt aber auch nicht aufgesetzt – noch immer scheinen Schifferle, Roesch und Heeb am meisten davon überrascht zu sein, dass sie auf einer Bühne zusammengefunden haben.
Heute aber macht sich Mirco Schifflerles Fehlen stärker bemerkbar. Einmal ist er von der Bühne. Fast sofort wird klar, dass Roesch und Heeb zu zweit nicht mal halb so gut sind wie im Trio mit dem Bez-Schüler. Da fehlt Mircos unnachahmliche Phlegma-Langsamkeit, die dem Ganzen erst seinen «Drive», seine Glaubwürdigkeit verleiht.
Das sind dann eben drei Huckleberry Finns, wie in einer gutmütig hellen Mondnacht aus Mark Twains Buch herausgekrabbelt.
Die langsamen Lumpeliedli könnten zur Not als unverkrampfte Bluesnummern durchgehen. Das ist zwar immer noch nah genug am Lagerfeuer,
aber der Ernst des «Formates» ist ein anderer. Die meist hochdeutschen Nummern wirken eben nur fast dahergekaspert, sind noch genau genug zurechtgezimmert. Eine Bruchbude mit System – da passt der Auftrittsort in der Franzosenbar (Französich ist übrigens Mircos «Lieblingsfach»…) sehr gut. Den Zuschauern, darunter auch «MundArt»-Festivalmacher Jürg Steigmeier – gefällt’s.
«Su-su-su», singen sie, um dann anzufügen: «Su-i-zid.» Und alle lachen. Dabei bleibt es aber nicht, denn am Ende purzelt nach dem neuerlichen «Su-Su-Su» das «Su-Su-Superlied» heraus. Selbstironie und Situationskomik sind Voraussetzung, damit das Ganze gelingt. «Machen wir Zugaben oder etwas anderes», fragt Ivo Roesch in die Runde.
Link zur Homepage: http://blinderpassagier.ch.vu
Spannend, das ganze mal von aussen zu erleben.
Hallo, toller Artikel, der RSS Link funktioniert leider weniger, aber trotzdem top Seite!